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Leistungsdiagnostik vs. FTP-Test


In den letzten Jahren hat sich im Radsport ein Test-Verfahren zur Bestimmung der funktionellen Dauer- oder auch Stundenleistung (FTP) nach Allen & Coggan etabliert. Hierbei wird ein Testablauf durchgeführt in dessen Zentrum ein 20-minütiger Dauertest steht. Abgleitet von dieser Leistung wird dann die FTP insofern bestimmt, als dass 5% der Leistung abgezogen werden. In Prozent dieser FTP werden dann acht (inkl. SweetSpot) Trainingsbereiche abgeleitet. Im Grunde ist dieser Test sinnvoll, weil die reale Leistung zumindest über 20 Minuten gemessen wird. Wenn hier eine Verbesserung auftritt, kann eine Verbesserung der Dauerleistung angenommen werden. Zudem ist das Testverfahren, wenn ein Leistungsmessgerät vorhanden ist, im Grunde kostenfrei.

Nachteile ergeben sich zunächst aber in der Testdurchführung, weil diese stark motivational geprägt ist. Es ist deutlich schwerer über 20 Minuten die höchstmögliche Durchschnittsleistung zu erbringen. Auch das Pacing ist besonders bei Anfängern problematisch und so wird vermutlich bereits die erste Wiederholung dieses Tests eine Verbesserung zeigen, weil das Pacing optimiert werden kann. Auch ist die standardisierte Anpassung von 5 % ist stark in Frage zu stellen, weil dies letztlich nur ein statistischer Mittelwert sein kann. Unterschiede im Stoffwechselmuster durch intrainidviduelle Verbesserungen im Trainingsprozess lassen sich hierdurch nicht ableiten und auch der Vergleich von verschiedenen Sportlern und deren Möglichkeiten sollte in Frage gestellt werden. Die Einflüsse des aeroben (VO2max) und anaeroben Stoffwechsels (VLamax) lassen sich zudem nicht erkennen und so auch das Training nicht zielgerichtet planen. Dies zeigt sich am folgenden Beispiel:

Beide Sportler haben eine FTP von 305W!

Sportler A: VO2max = 62 ml/min/kg // VLamax = 0,31 mmol/l/s // FatMax = 221 W

Sportler B: VO2max = 70 ml/min/kg // VLamax = 0,73 mmol/l/s // FatMax = 203 W

In diesem Beispiel wird deutlich, inwiefern sich ein Stoffwechselmuster trotz identischer FTP voneinander unterscheiden kann. Sportler A hat eine deutlich niedrigere VO2max (ca. -12%!), aber durch eine niederige VLamax nicht nur die identische FTP, sondern vor allem eine höhere Leistung (ca. +10%!) am Punkt der maximalen Fett-Oxidation! Dies sollte vor allem auf längeren Strecken (Bsp. Ironman) dazu führen, dass Sportler A Sportler B deutlich überlegen und so trotz einer niedrigeren aeroben Leistungsfähigkeit auf längeren Strecken leistungsfähiger ist.

Anhand der Trainingsbereiche lassen sich im Vergleich zum FTP ebenfalls Unterschiede finden. Hier können physiologisch begründete Trainingsbereiche die Trainingsplanung optimieren und so gezielter Anpassungen erzielt werden - Abhängigkeit des aeroben und anaeroben Stoffwechsels. Hier ist vor allem auch die Range der einzelnen Bereiche beim Verfahren über die FTP-Bestimmung zu kritisieren, da dadurch auf physiologischer Sicht recht starke Abweichungen zu erwarten sind.

Lassen sich die Tests miteinander kombinieren und so die jeweiligen Vorteile nutzen? Dies ist mir einem deutlich „Ja!“ zu beantworten. Eine komplexe Leistungsdiagnostik mit der Bestimmung der aeroben und anaeroben Leistungsfähigkeit sollte stets als Grundlage für eine physiologisch begründete Trainingsplanung dienen. Eine solche Diagnostik sollte zur Überprüfung dieser Größen zwei bis drei Mal pro Jahr stattfinden - im Profi-Bereich auch häufiger möglich. Um die Komponente Pacing im Training zu trainieren können FTP-Tests helfen, um auch die Umsetzbarkeit der im Labor gemessenen Werte zu überprüfen. Grundsätzlich, egal ob FTP oder Labortests, lassen sich Unterschiede in der Leistungsfähigkeit auf der Straße (flach oder am Berg), auf der Rolle und auch zwischen verschiedenen Fahrrädern (TT vs. RR) erkennen. Dies sollte stets berücksichtig und beobachtet werden.

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